Als wir losfuhren, war Winter. Kalter Wind blies um meine geröteten Nasenflügel. Verwandelte kleine Wassertropfen in lange Eiszapfen. Hinterließ weiße Flocken wehend im Wind. Drängte zarte Vogeldamen Richtung Süden und hielt zittrige Menschen zu Haus‘.
Und heute ist Sommer. Nur vierzehn Tage später. Angekommen in einer anderen Welt. Zwitschernde Schnäbel rufen aus Baumwipfeln, die sich heimlich mit ihrem Sommerkleidern schmücken.
Die nackte Zeit des Winters ist vorbei. Endlich. Zu lang dauerte diese Durststrecke. Zu kalt schien die Luft.
Und doch durchlebten wir unglaublich schöne Stunden in des Winters kühlem Herzen.
In Berlin beispielsweise. Oder noch zuvor in Stockholm. Oder kürzlich in Paris, auf Sylt und in Hamburg. Allesamt wundervolle Orte, denen man im Allgemeinen viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Hamburg beispielsweise. Hamburg würde ich gern beobachten. Morgens, um vier Uhr dreißig. Wenn Straßenfeger die ersten Runden drehen. Die Fontäne der Binnenalster sich zum ersten Mal ihren Weg gen Himmel bahnt, nur um doch wieder hinabzustürzen. Wenn Menschen aus Türen eilen, um die erste U-Bahn zu erwischen.
Und dann würde ich all das zeichnen. Mit Worten. Nicht mit Pinseln. Darin bin ich nicht gut, rede ich mir ein.
Ach, Hamburg am Morgen. Welch wunderbare Erfahrung es nochmals wäre, dich aus meiner heutigen Perspektive zu erleben. Ohne getrieben zu sein. Bloß um deiner selbst Willen.
Und dann würde ich nach Stockholm fliegen. Beobachten, wie die Schweden es sich zu Mittag bequem machen. An ihren Lieblingsplätzen, an den Ecken, an den Ufern. Und sich ihre Mittagsruhe frönen. Schmunzelnd wahrnehmen, wie kühl der schwedische Sommer ist. Menschen grüßen, die mich passieren. Noch einmal einen Crêpes vom Flüchtling am Plastiktisch kaufen. Ein Lächeln schenken und ihm seines abluchsen. Durch die Altstadtgassen schlendern. Lokale öffnen sehen und als Hans Guck-in-die-Luft die bezaubernden Gebäude lobpreisen.
Abends wäre ich gern in Paris. In Montmartre, auf dem Dach der Galleries Lafayette oder in irgendeiner Gasse. Würde den besten Crêpes der Stadt verschlingen und den hektischen Kellnern in überfüllten Bistros zusehen. Mich zu Musikern setzen und zu ihrer Musik tanzen. Den Eiffelturm umrunden, auf den nassen Grashalmen Platz nehmen und mich des Morgens erst wieder erheben. Genösse die Nacht unter’m Pariser Sternenzelt und wüsste, dass ich richtig bin.
Und dann, wenn ich all das erlebt habe, die Welt umrundet, Metropolen gesehen, Neues erlebt und in Rio getanzt. Dann würde ich ganz früh am Morgen mich hinausschleichen. In dünnen Sneakers. So wie früher. Pfützen umkurven, über Matsche hüpfen, die Mütze festziehen und mich setzen. Ans Kliff, ans Meer. Nicht weit meines Bettes.
Und den schimmernden Sonnenaufgang genießen, den mir Sylt schon so lange bietet.