Ich liege im Bett. Vor wenigen Minuten räumte ich meine vorige Wirkungsstätte, den Esstisch, um meiner besseren Hälfte die nötige Ruhe zu verschaffen. Ihre wöchentliche Lieblingsserie läuft an. Da ist Mann kaum gern gesehen.
Geradezu hyggelig ist es, wenn man in diesen Tagen unser Wohnzimmer betritt: Kerzen, herbstlich-winterliche Novemberdekoration und warme Lichtquellen schmücken den Raum. An den hoch abschließenden Wänden unseres Lofts spielen tausende Lichterfarben in unzähligen Mustern und auch die Couch-Ecke des Raumes strahlt dank sanftem Kerzenschein und kuschliger Einrichtung eine wohlig warme Atmosphäre aus. Ich an Jasmins Stelle würde mich pudelwohl fühlen, kurz mit den Füßen zappeln, über das ganze Gesicht strahlen: So wohl fühlte ich mich selten. Und ich bin mir sicher, ihr geht es gerade genauso.
Tatsächlich muss auch ich schmunzeln, während sich diese Zeilen ihren Weg in den grell leuchtenden Desktop suchen. Das Texten fällt heute etwas schwerer, womöglich bin ich ein wenig aus der Übung. Vielleicht ist es aber auch etwas zu spät – immerhin schlug es soeben zweiundzwanzig Uhr.
Zweiundzwanzig Uhr, was eine Zeit. Vor etwa drei Jahren wäre ich um diese Uhrzeit noch zu einem vermeintlich guten Freund gefahren. Wir hätten gearbeitet, uns maßlos überschätzt und haltlose Träume in die Nacht gemalt. Die Uhrzeit spielte keine Rolle; überhaupt waren uns Normen und Werte Anderer fremd wie egal.
Vor etwa genau einem Jahr wäre ich gemeinsam mit meiner Verlobten durch Dubai gelaufen – blind vor Hunger auf der Suche nach einem vegetarischen Bistro, das unseren Ansprüchen genügt.
Und heute liege ich im eigenen Zuhause kuschlig unter einer etwa dreißig Zentimeter dicken Winterbettdecke und genieße die Weihnachtszeit im stetig kälter werdenden Münster.
Es birgt einen gewissen Humor, zumindest auf persönlicher Ebene, wenn man die Gelegenheit beim Schopfe packt und die vergangenen Jahre einmal Revue passieren lässt: Bei den meisten Dingen, die ich vor zwei bis drei Jahren für vollkommen selbstverständlich, richtig und normal hielt, würde ich mich heute unwohl fühlen. Im Rückblick jedoch erscheint mir jeder Schritt auf eine ungewöhnliche Art und Weise sinnvoll, ja geradezu notwendig.
Gewitzte Schlaumeier würden nun den Kalenderspruch „Sonst wäre ich heute nicht dort, wo ich bin“ anbringen. Doch viel wichtiger: Aus allem, was mir in der Vergangenheit widerfahren ist, kann ich heute nach und nach schöpfen. Mir passieren die wenigsten „Fehler“ ein zweites Mal; ich handle bedachter und wähle bewusster. In jeder Hinsicht.
An dieser Stelle freue ich mich schon, diesen Text nach den nächsten zwei Jahren zu lesen. Vergangene Ichs sind immer für einen Schmunzeln gut.
(verfasst im November 2018)