In Chicago steht ein großer Spiegel. Geformt wie eine Kidneybohne. Mitten im Stadtpark. Je nach Standpunkt des Betrachters, lernt sich jener in verschiedensten Rollen kennen: Dick, dünn, grimmig, zurückhaltend und so fort. Nur aufgrund seiner variablen Positionierung des Spiegels gegenüber. Einmal darüber nachgedacht, offenbart sich ein spannendes Gedankenspiel:
Was, wenn unsere Mitmenschen nichts weiter wären, als eine solch spiegelnde amerikanische Kidneybohne? Formbare Projektionen, die uns umgeben – und uns sämtliche Fratzen unseres Selbst offenbaren.
Wenn wir hassten, hassten wir uns selbst.
Wenn wir lachten, lachten wir mit uns selbst.
Wenn wir fluchten, verfluchten wir uns selbst.
Wenn wir ignorierten, ignorierten wir uns selbst.
Wenn wir betrögen, betrögen wir uns selbst.
Wenn wir beleidigten, beleidigten wir uns selbst.
Wenn wir diskriminierten, diskriminierten wir uns selbst.
Und wenn wir liebten, liebten wir uns selbst.
Letzteres wäre doch ein klasse Ansatz. Denn sicherlich sind unsere Mitmenschen weit mehr als bohnengeformte Spiegel. Doch alles, was wir wahrnehmen und bewerten, ist unlängst in uns.
Ansonsten wäre es uns egal.
Oder nicht?