Draußen gurren die Tauben. Ich erinnere mich gut daran, als ich dieses Gurren zum ersten Mal bewusst wahrnahm. Es war früh am Morgen, so wie heute. Ich war noch recht jung. Gerade einmal vier, vielleicht fünf Jahre alt. Und ich lag wach im Bett. Oben, bei Oma und Opa, in zweiter Etage im hinteren Zimmer. Die Fenster waren gekippt, vielleicht auch weit auf.
Das Gurren der Tauben hat mich schon damals fasziniert. Ich konnte nicht einschätzen, welches Tier diese Geräusche machte – und ich fragte auch nicht weiter danach. Ich verband dieses Geräusch instinktiv mit Omas und Opas Garten. Und jedes weitere Mal, das ich in Burgsteinfurt war, wachte ich morgens auf und öffnete das Fenster. Hörte das Gurren der Tauben und wusste, dass ein neuer Tag begann. Ich lief hinaus auf den Rasen, barfuß, und fühlte den Morgentau an meinen Fußsohlen. Streifte durch die Grashalme, lief eine kurze Strecke über die alten rauen Gartenplatten voller Tannennadeln bis ganz nach hinten zu Opas Beeten. Und wieder zurück zum Apfelbaum, zur Schaukel und dann auf die Terrasse.
Frühstücken würde ich Omas Nutellabrot mit viel Butter darunter. Und zu Mittag würde Opa das kleine rote Schokoladenköfferchen mit exakt einem Stück Milka-Vollmilchschokolade für mich füllen. Abends gäbe es etwas mit Kartoffelpüree, das wir gemeinsam in der kleinen Küche stampften. Und zuvor, am Mittag, würde ich jedes Mal auf’s Neue staunend lernen, wie man eine Makrele zerlegt.
Kurz, bevor wir ins Bett gingen, würde Opa dann beim ‚Mensch ärgere dich nicht‘ mogeln und Oma mich gewinnen lassen.
Und dann würde ich ins Bett gehen. Guten Gewissens und im Klaren darüber, dass ich morgen früh, wenn Gott will, wieder geweckt werden würde. Und selbst, wenn Gott nicht wollte, würden das schon die Tauben im Garten übernehmen.
Tausend Dank für diese schöne Zeit.