Das ist neu. Leichter, ehrlicher und beruhigender als bislang. Ein lang verloren geglaubtes, doch nicht vermisstes, wenngleich benötigtes Gefühl.
Ich könnte es nicht präzise genug in Worte fassen, beschreiben oder benennen. Und dennoch ist es da. Es ist einfach vorhanden. „Es überkommt mich“, wäre zu hart formuliert. Beschleichen. Das wäre das richtige Wort.
Am ehesten würde ich es als Erdung bezeichnen. Als gewisse Form der Verwandtschaft von Urvertrauen und innerer Ruhe. Dinge, von denen ich früher viel las, die ich teils verstand, teils lebte, spürte – und dann zeitweise doch ad acta legte, wenn auch unbewusst. Vielleicht, weil sich mein Fokus änderte. Ich mich in den letzten Jahren zu stark in Kämpfen, Auseinandersetzungen und Vergleichen verlor.
Und nun, wo dieses wunderbare Gefühl auf wahrhaft verschlungenen Wegen zu mir zurückfindet, spüre ich erst die Leere, die dort eine Zeit lang Einzug erhielt. Ich war, und bin noch, wie ein Kompass ohne Nadel. Doch endlich so ehrlich, dies zu formulieren. Und endlich einmal so sehr zur Ruhe gekommen, um dies zu bemerken.
Dieser Tag heute führte mich zurück in eine neue Richtung. Was widersprüchlich klingt, zugegeben. Doch irgendwie ist es auch wahr. Manchmal lernt man scheinbar nur durch Rückbesinnung, was für die Gegenwart und Zukunft fehlt.
Die Geschichte geht wie folgt.
Ich besuchte einen alten Freund aus Kindheitstagen. Wir hatten uns ewig nicht mehr gesehen. Anlass dazu gab uns seine frische Vaterschaft – und damit eine neue, parallel verlaufende Gemeinsamkeit. Meine Mutter bat mich, sie zu begleiten, um ihm samt seiner Eltern, die früher für mich fast schon so etwas wie Zieheltern waren, einen kurzen Besuch abzustatten. Was gibt es schließlich Schöneres als eine Gratulation zur Geburt eines Kindes?
Ich freute mich auf das Wiedersehen. Mit ihm. Seinen Eltern. Jener Umgebung, die von unzählbaren Stunden gemeinsamer Kindheit berichtet. Und, so Gott will, auch mit seiner Frau. Seiner neu geborenen Tochter. Und überhaupt allem, was auf mich zukam.
Doch war ich zeitweise ein wenig nervös. Ich kann bis jetzt gar nicht so genau definieren, warum überhaupt. Wir hatten uns zehn Jahre lang nicht gesehen. Hier und da vielleicht mal digital gestreift. Instagram macht’s möglich. Aber mehr auch nicht.
Wer weiß schon, was aus einer Freundschaft wird, wenn sie zehn Jahre lang im Regal steht und nicht hervorgeholt wird? Störfeuer, Dorftratsch und Frauengeschichten dazwischen kommen.
Ich war unsicher. Wollte nichts überstürzen, nichts übertreiben. Tauschte das T-Shirt gegen Pullover und fuhr los.
Bis jetzt bin ich mir nicht vollends sicher, wie ich unser Wiedersehen aus seiner Perspektive bewerten kann. Ich persönlich habe mich sehr gefreut, war es doch ein wenig wie früher.
Was mich jedoch bis in diesen Moment, und hoffentlich die nächsten Tage und Wochen ebenso, begleitet, ist die Atmosphäre des Zusammentreffens. Momente der Harmonie. Lockere Gespräche. Zwangloser Austausch. Problemlosigkeit. Zumindest für einen Moment des Wiedersehens.
Und bei all dem, was man Tag für Tag so erlebt, herausschreit, diskutiert und kritisiert, beeindruckte mich die Herzlichkeit seiner Familie mir wie meiner Mutter gegenüber am meisten.
Aus wenig viel machen – meine Oma ist Meisterin darin. Doch ich erinnere mich nicht, wann ein Stückchen Kuchen, eine Tasse Tee und ein lockeres Gespräch mit lang nicht gesehenen und doch eng Vertrauten so gut getan hat.
Am Ende kann ich nur erahnen, wie mein Kindheitsfreund das Treffen wahrnahm. Ich hoffe, ähnlich positiv und erfreut darüber, wie ich. Manchmal sorge ich mich darum, zu uninteressiert herüberzukommen, wenngleich das tatsächlich nicht zutrifft.
Doch bis jetzt einmal bin ich einfach nur froh, in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, nach langen Jahren endlich mal wieder so etwas wie kindliche Heimat und Ehrlichkeit gespürt zu haben. Und sei es nur aus alter Verbundenheit und Erinnerung. Ohne Gegenleistungen oder Verhandlungen. Ohne Kalkulation oder Berechnung.
Einach nur ehrliche, erfrischende Menschen, die mir, die uns eine schöne Zeit bereitet haben.
Und dank derer ich wieder feststellen durfte, wie gut eine menschliche Erdung tut. Eine Verbindung zueinander zu haben.
Und vielleicht war es genau dieses kurze Durchatmen in diesen Zeiten, das mir letztlich guttat. Ich musste nichts wissen, nichts können und nichts tun. Ich durfte einfach nur da sein. Dabei sein. Zuhören, erzählen und Kuchen essen.
Mann, sowas brauch‘ ich häufiger.