A Quiet Revolution

Wir alle erfahren neue Impulse in unserem Leben. Tagtäglich. Unsere moderne Lebensweise könnte gar nicht funktionieren, wäre das nicht der Fall. Neues, Fremdes, Unbekanntes – wohl zu keiner Zeit wie der heutigen waren jene Variablen so intensiv spürbar.

Bloß entscheiden wir, bewusst oder unbewusst, ob und wie wir damit umgehen. Wir können Dinge ignorieren, sie mit einem kleinen „Brauche ich nicht, war nie so“-Kärtchen versehen, sie ins Lächerliche ziehen, sie verdammen, als „unwahr“ abstempeln, wie nicht existent behandeln – oder über sie nachdenken, ihnen die Hand reichen und eine Chance geben, einen positiven Unterschied zu machen.

Das gilt für alles. Ja, richtig gelesen: Für alles. Völlig egal, in welchem Lebensbereich – neue Dinge, Situationen und Lebenswege können immer etwas Unerwartetes, Schönes oder Beeindruckendes enthalten. Man müsste sich bloß dafür öffnen können.

Genau daran scheitern wir heutzutage bloß allzu häufig. Nicht, dass wir uns ernsthaft um eine Ablehnung neuer Impulse und Gegebenheiten bemühten. Wir denken, sprechen und handeln eher symbolisch.

Das wohl bekannteste Beispiel: Die US-amerikanische Mauer an der mexikanischen Grenze. Nicht, dass diese Mauer einen Effekt haben könnte. Die meisten Immigranten kommen, statistisch nachweisbar, nicht zu Fuß samt Bollerwagen in die Staaten. Sondern via Flugzeug oder über den Wasserweg. Dennoch atmet eine Vielzahl an US-Bürgern auf. Denn wo eine Mauer ist, kann kein Weg sein. Wille hin oder her.

So simpel kann es sein, Menschen von dem „Neuen“, in diesem Fall der vermeintlich „kriminellen“ Immigranten, zu befreien – obwohl sie von ihrer vermeintlichen Last gar nicht „befreit“ sind.

(Anm. d. Autors: Was auch absolut unsinnig wäre – ich halt’s da eher mit der menschlichen Toleranz samt Vielfalt und weniger mit Landesgrenzen.)

Auch ein schönes Beispiel: Das weit verbreitete Tierwohl-, „Milch von glücklichen Kühen“- oder ähnliche bemitleidenswerte Labels, die uns suggerieren, mit unserer Welt war zwar kurz etwas im Ungleichgewicht. Das haben wir aber glücklicherweise durch einige kraftvollen Initiativen wieder bewerkstelligt. Es braucht also nichts „Neues“ wie vegane Ernährung, Milchalternativen und Co., um wirklich etwas zu bewirken. Lebt weiter wie bisher – alles bestens.

Unsere Kühe lächeln seit Neuestem, wenn man sie von ihren Kindern trennt und drücken die Milch freiwillig in die Flasche. Frau Klöckner hat das wirklich im Griff.

Und dennoch wächst das vegane Angebot in Städten ins Unermessliche, die Rügenwalder Mühle kommt vor lauter pflanzlichen Schnitzeln kaum noch hinterher und immer mehr ältere Menschen erkranken an Krebs – was oftmals auf tierbasierte Ernährung zurückzuführen ist.

Doch das Neue ist dennoch weit weg – brauchen wir nicht, oder?

Es mag ein Generationenkonflikt sein, doch in meinem persönlichen Freundeskreis kenne ich absolut niemanden, der andere oder neuartige Lebens- sowie Denkweisen verurteilt. Ich habe den Eindruck, das Motto „Leben und Leben lassen“ gewinnt an Befürwortern. Und erweitert das Blickfeld.

Das mag jedoch auch mit dem zuammenhängen, dem wir uns tagtäglich aussetzen – oder ausgesetzt sind. Erst kürzlich stolperte ich über eine TV-Werbung samt Claim „Butter ist gesund“. Und „Essen Sie mehr Zucker, wenn Sie abnehmen möchten“. Auch „Mit Maggi schmeckt Ihr Lieblingsessen noch mehr nach Ihrem Lieblingsessen“ war werbetechnisch nicht von schlechten Eltern.

Damals wie heute: Je öfter wir etwas hören, desto leichter und schneller glauben wir es. Und so wurde Butter gesund, so machte Milch starke Knochen und so mussten Einwanderer in Deutschland vor laufenden TV-Kameras den Satz „Ich bin fremd in diesem Land“ auswendig lernen, um der deutschen Sprache mächtig zu werden.

Von all diesen Paradoxa zehrt ein Großteil der heutigen Gesellschaft noch immer. Da ist es doch kein Wunder, dass „Neues“ wie fremde Kulturen, alternative Ernährungsweisen und andere Lebensentwürfe bestmöglich abgeschmettert werden, oder?

Wir leben im Grunde zwischen Relikten alter Tage – auch industriell. Oder würde heute noch wirklich jemand auf die Idee kommen und sich selbst sagen: „Ich glaube, es könnte eine prima Geschäftsidee sein, wenn wir jährlich über 100 Millionen Schweine schlachten und das Fleisch so billig und krankheitsfördernd wie möglich verkaufen?“ Wohl kaum.

Weil wir aufgeklärter sind denn je. Wir wissen so vieles – und handeln dagegen. Wir sind auf dem Papier so intelligent wie nie zuvor – und benehmen uns idiotischer denn je.

Wir wissen so viel über unsere kulturelle Vielfalt – und bekriegen dennoch das „Fremde“. Wir wissen inzwischen, dass sämtliche Ressourcen erschöpfbar sind – und handeln dennoch getreu dem Motto „höher, schneller, weiter“.

Doch für all das gibt es eine hinlängliche Erklärung, die wir unter dem Begriff „Gewohnheit“ benennen und verteidigen. Gelegentlich fallen auch Begriffe wie Tradition ins Gewicht.

Doch was wäre, wenn wir mit Traditionen gar nicht brechen und Gewohnheiten nicht abgelegt werden müssten?

Diese Frage stellt sich im Grunde nicht mehr, da genau das passiert: Viele „Ausländer“ sprechen besser Deutsch als halb Neukölln, vegane Schnitzel schmecken fleischiger als das „Wiener Original“ und selbst auf traditionellen Feierlichkeiten wie beim Oktoberfest gibt es alkoholfreies Bier, das seinem schlechten Ruf in keinster Weise gerecht wird.

Und das Beste daran ist: Wir bemerken diese Veränderung wenig bis gar nicht.

Wenn wir beispielsweise beruflich tagelang mit einem Herrn Meier telefonieren und beim ersten persönlichen Treffen feststellen: „Upps, der ist ja schwarz“ – da wird es schwierig, das „Fremde“ noch von sich zu weisen und zu verurteilen.

Wenn uns zum dritten Mal ein veganer Burger untergeschoben wird und wir nochmal das saftige Fleisch loben, das ja viel besser sei als die pflanzlichen Alternativen – welche Argumentation bleibt da noch für das „Alte“?

Wenn wir bemerken, dass der alkoholfreie Sekt plötzlich besser schmeckt, als der „Normale“ – wie ist die schädlichere Variante dann noch zu verteidigen?

Es gibt schlichtweg kein rational begründbares Zurück. Denn das, was neu, nachhaltig und sinnvoll wie genießbar auf allen Ebenen daherkommt, ist schwerlichst zu verurteilen.

Letzteres gelingt höchstens mit der Argumentation der Gewohnheit.

Doch dann müssen wir uns ehrlich der Frage stellen:

Sind wir wirklich die fortschrittliche Gesellschaft, die wir zu glauben scheinen, wenn wir einem „Weiter so“ folgen, statt neue und bessere Wege einzuschlagen?

Er kam, sah und aß.

Wenn ich nich auf mich aufpasse, geht’s schief. Das trifft auf so ziemlich jeden Bereich meines Lebens zu: Arbeit, Sport, Ernährung, Kreativität, Lernen, und so weiter und so fort. Die Liste ist lang. Wenn ich nicht ganz besonders auf mich Acht gebe, driftet es aus der Bahn. In jede Richtung.

Zwar mag der ein oder andere Exzess hier und da angebracht sein, doch auf Dauer sicher nicht sinnig. Spannend ist allerdings, dass je mehr ich zu einer inneren Ruhe finde – insbesondere in asiatischen Ländern und Kulturen ist das der Fall – zu den immer gleichen Ansätzen komme.

Eine harsche Wendung zeigt sich diesbezüglich zunehmend im Bereich Ernährung. Ich erinnere mich gut, dass ich etwa zu dieser Zeit im vergangenen Jahr nahezu jeden, der mir über den Weg lief, zu bekehren begann. Über diese und jene Lebensweise. Einmalige gesundheitliche Ratschläge erteilte und mysteriöse Erkenntnisse vortrug, von denen ich nur am Rande hörte und nahezu blind Glauben schenkte.

Heute weiß ich es besser. Nicht, dass ich innerhalb eines Jahres die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte. Das wäre wohl die sinnigste Ernährung, die mein Körper seit Langem hätte erleben dürfte. Nein, ich weiß es auf andere Art besser: Die stetigen Belehrungen folgten einer Reihe an Anforderungen an mich selbst, die ich so schnell, wie ich sie stellte, gar nicht erfüllen konnte. Also begann ich, diese auszulagern. Du, iss einmal dies und jenes und du, probier doch mal dies oder das.

Heute, ein Jahr später, stehe ich erneut an diesem Punkt. Hadere erneut mit meiner Ernährung und bin scheinbar bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen. Immer wieder ringe ich mit mir, diesen Schritt zu wagen. Veganer zu werden, wie es so schön heißt.

Doch dann bekäme ich nirgends etwas zu essen, würde mich von sozialen Gruppen ausschließen und einem unglaublich eintönigen Dasein trachten. Ob das stimmt?

Ich denke nicht. Erst kürzlich sprach ich mit einem Bekannten, der einen ähnlichen Weg gegangen sein muss, wie es mir wohl gebühren wird. Dass er keine Nahrung mehr findet, sei Bullshit. Und die wenigen Abstriche die er macht, mache er gern.

Argumentation abgeschlossen.

Und dann war da noch die Diskussion mit meinem Bruder in den Gassen Palmas. Jener war sich sicher, dass eine vegetarische Ernährung der bessere wie gesündere Weg oder gar ein Anfang sei, kommt er doch geschmacklich nicht von fleischigen Suppeneinlagen oder Hauptbestandteilen der Mahlzeit weg.

Interessant, denke ich. Etwas besser zu finden, aber dennoch anders zu handeln. Den altbekannten Gelüsten zu folgen, statt sich etwas Neuem zu öffnen. Tatsächlich war und ist das nicht kritikgeladen gemeint, ganz im Gegenteil. Heute – anders als vor einem Jahr – stehe ich reifer zu diesen Themen. Versuche nicht mehr, andere Menschen mitzureißen oder gar zu verändern.

Doch ich spüre, dass sich für mich etwas verändern darf. Oder könnte, wenn ich wollte. Sicher landeten wir heute nicht umsonst direkt vor unserer Haustür im wohl unbekanntesten Vegan-Lokal Hanois und genossen Drinks zu Dinner.

Irgendwie komisch, wenn man nach langer Zeit wieder beginnt, dem Leben zu lauschen und nicht blind drauflos lebt oder – in diesem Fall – futtert.

Der Körper kann sprechen. In verschiedensten Formen, Farben und Klängen. Ich glaube, man muss ihm nur lauschen.

Und schon bereue ich die Oreo-Kekse.

Spannende Tage. Spannende Tage.

Tagwerkgefühl

Stille im Kopf. Manchmal habe ich nichts zu sagen. In etwa so wie heute. Ausdruckslos. Fahne im Wind. Ohne Bedeutung. Ausgeschlafen. Lang geschlafen. Zu lang, doch friedlich.

Nicht bös‘ um verlorene Stunden. Dankbar für schöne Träume. Gewillt, Ziele zu erreichen. Ohne unter Druck zu stehen.

Lege alles Künstliche ab. Den Hass, die Intoleranz, die Ignoranz.

Wünsche Menschen einen schönen Tag. Bewusst und von Herzen. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Schließe die Tür und blicke auf das Paket, das mir gereicht. Sprinte hinauf. Umarme dich. Packe aus. Wir entscheiden.

Lächeln um des Lebens Willen. Gespickt mit Freude. Voller Liebe. Voller Sehnsucht. Lachenden Herzens.

Weil ich weiß, dass es der richtige Weg ist. Das, was Wahrheit in Wahrheit bedeutet. Was, was man eine Mission nennt, wenn man den ersten Schritt geht. Das, was wir als Wunder betiteln, wenn wir das Leben spüren. Das, was uns auf der Haut kribbelt, wenn unser Körper lacht. Das, was wir als Liebe empfinden, wenn wir beisammen sind. Das, was wir genießen, wenn die Zeit still steht. Das, was Menschen zum Weinen bringt. Das, was wir spüren, wenn wir uns fest umarmen.

Das, was unserem Leben Tiefe gibt. Manchmal nur Momente, von denen wir noch in Jahren sprechen. Oder jene, die unbemerkt ihr Werk vollenden. Uns in Zukunft Freude bereiten. Ohne die die Zukunft nicht die Zukunft wär.

Es gibt diese Sekunden, in denen sich alles vollkommen anfühlt. In denen der Verstand schweigt. Die Augen nicht blinzeln müssen. Die Mundwinkel nach oben wandern. Das Herz schneller schlägt. Die Atemwege sich befreien.

Gedacht als Energieschub für’s Leben.

Warum gönnen wir uns das nicht öfter?

Erlauben uns, zu sein. Bringen die Gedanken zum Schweigen. Folgen unserer Passion. Nicht gedrängt. Nicht des Geldes wegen. Nicht auf Anerkennung gemünzt. Nicht um der Erzählung Willen.

Sondern einfach

um unsere Seele

zum Lächeln zu bringen.

Wer braucht schon Geld, wenn er das Leben spürt. Wer will schon Zeit veräußern, wenn das Leben ihn drückt. Wer will schon anders tun als ihm geschieht. Wer will schon alles sein, nur nicht er selbst.

Wahre Passion steckt nicht im großen Ganzen. Großes Ganzes ist häufig schief. Nein, wahre Passion, der Kuss des Lebens, die Harmonie der Seele – all das liegt in wenigen Sekunden.

Der Moment, bevor sich Lippen treffen, Augen schließen, Körper schlafen, Freude aufkommt, Energien fließen und Wolken aufklaren. Dieser Moment ist, was das Leben besonders macht.

Glaube ich.