Schriftsteller ohne Thema

Gibt es wohl Schreiber, die nicht wissen worüber? Ich könnte so einer sein. In Momenten wie dieser einer ist zieht es mich, ja drängt es mich gar an die Tastatur, um der Welt etwas mitzuteilen.

Doch was? Schreiben worüber? In Kenntnis setzen wovon? Ich greife häufiger zur Schokolade als dass ich einen Satz zu Ende bringe. Es könnte doch so schön sein. Den ganzen Tag nur dort sitzen, am Ort meiner Wahl, und jungfräulich weißes Papier  mit schwarz gefärbten Worthülsen beflecken. Nochmal Schokolade.

Aber so einfach ist das nicht. Hört man überall. Schreiben per se sei schon eine schwierige Angelegenheit. Und dann noch mit einer Intention, einem Hintergedanken? Kaum im Rahmen des Möglichen.

Und vielleicht ist es auch gar nicht das Schreiben. Vielleicht ist es einfach das Gefühl, ein Schriftsteller, ein Schreiber zu sein. Der Gedanke, Hemingway nachzueifern und jeden Abend in einer neuen Bar zu versacken. Die Idee, Kreativdrogen einzuwerfen und das als berufliche Notwendigkeit zu verbuchen. Das Gefühl, etwas ganz Einzigartiges zu schaffen und in den Gärten Paris’ auf Inspirationen zu hoffen. Da Vinci hat schließlich auch vor weißen Wänden gewartet.

Oder es ist einfach der fixe Einfall, etwas aus viel zu wenig Talent machen zu müssen. Ohne überhaupt darüber sinniert zu haben, wie aussichtsreich das gesamte Unterfangen sein könne. Schokolade.

Dem findigen Leser wird auffallen: Das Schreiben ist ein hartes Stück Arbeit. Man sitzt viel, löscht frisch verfasste Zeilen und tippt seine Worte auf ein Neues in die Tasten bis sie am Bildschirm erscheinen. An Schreibmaschinen wäre all das ein Chaos. Und ein Papierverbrauch obendrein.

Möglicherweise ist das aber auch eine Ursache für die vielen Texter und Schreiber, die sich heutzutage als solche erkannt haben möchten, mich eingeschlossen: Es gibt zu viele Möglichkeiten. Früher, da war jedes Wort eine Kunst. Keines unüberlegt. Jedes wohl weißlich von der Tastatur auf’s Papier gehackt. Und heute kritzelt jeder auf sein Tablet, spricht in sein Smartphone oder tanzt einen kurzen Tango auf dem Laptopalphabet und startet einen eigenen Blog.

Ist das noch Schriftsteller oder kann das weg? Eine schwere Bewertung, wenn man bedenkt, dass Kunst alles ist, was theoretisch weg kann, aber nichts, was Kunst ist, auch weg soll. Wo liegt also die Grenze im Dasein zwischen Schriftsteller und profanem Schreiberling?

Wahrscheinlich gibt es kaum eine. Und womöglich ist das gut so. Schließlich bringt es Vorteile mit sich, wenn jeder seine Meinung Kund tun kann — sei es in Form von Text oder Bild. Jedem das seine.

Doch Abgrenzen möchte ich, was Kunst betrifft. Kunst ist sicher nicht, was sich online zu Haufe als Blog getarnt die Klinke in die Hand gibt. Kunst ist die wahrhafte Erkenntnis, etwas Individuelles geschaffen zu haben, das die Welt ein kleines Stück aus der Bahn wirft.

Und bei aller Liebe zum Bloggen: Ein Blog wird das wohl kaum. Und erst Recht nicht ein Artikel.

Schön, doch noch ein Thema gefunden zu haben.

Yeah. 15 Prozent Akku.

Ziemlich cool. Der Akkustand meines MacBooks zeigt 15 Prozent. Will heißen: Gleich ist’s vorbei. Game over. Vorbei mit der Arbeit, eingehenden Mails, die meine Aufmerksamkeit abgrasen wie eine Kuh die saftige Wiese. Und Schluss mit ständigem Checken, ob nicht doch noch jemand mein passives Einkommen fördern möchte.

Dann wäre die Gelegenheit, um ein Buch zur Hand zu nehmen. So ein Ding mit Seiten. Oder wir gehen zum Strand und sehen uns den Sonnenuntergang an. Hat auch was. Oder auch schön: Einfach mal spazieren gehen und die Gegend erkunden.

Schon interessant. Und das alles geht ohne MacBook. Das passiert draußen. Außerhalb eines Vierecks, das ständig seinen Inhalt wechselt.

Ich war nie so froh, in wenigen Minuten diese Klappe zu schließen, mich zurückzulehnen und einfach zu entspannen.

Nicht, weil ich meine Arbeit hasse, um Gottes Willen. Nein, ich mag meine Arbeit. Aber ich mag auch mein Leben. Und obwohl Erstere nicht gleich Letzteres ist, kommt sie oft verdächtig nah dran.

Deshalb bin ich heute Rebell. Und zeige der Arbeit, was ich noch alles kann. Meine faule Haut hat ohnehin schon viel zu lang gelitten. Außerdem meint mein Facebook-Manager, meine Projekte reichten für die nächsten zwei Jahre.

Und wenn dem tatsächlich so ist, kurble ich die Markise raus, klappe meinen Campingstuhl auf und nehme Platz. Und stehe erst auf wenn Not am Mann ist.

Also an mir.

Cheerio und gute Nacht!

Kreisgedanken

Wenn ich morgen vom Bus überfahren werde, hat das alles nichts gebracht. Welch glorreiche Argumentation für ein horrend fugenloses Leben, das wir uns zu eigen machen. Welch entzückende Phrase, die unser achtloses Sein befürwortet. Gar rechtfertigt. Welch augenscheinlicher Selbstschutz vor jenem Wandel, den wir Tag für Tag verneinen.

Aber irgendwann. Irgendwann kommt der Bus. Langsam angefahren um die Ecke biegend. Und dann siehst du ihn kommen. Mit mäßiger Geschwindigkeit rollt er auf dich zu. Du könntest verschwinden. Könntest du. Die Chance lebt. Doch du handelst nicht. Weil du mit deinen Füßen viel zu tief im Morast steckst. Versuchst nicht, dein Leben zu erhalten. Jenes, das andere später als schön betiteln werden, wenn auch viel zu kurz. Und dann wird getrauert. Weil er viel zu früh von uns ging. Weil der Herr ihn zu früh zu sich nahm.

Ja, der Herr. Schon immer für eine Überraschung gut gewesen der Gute. Und sollte es ihn tatsächlich geben – weißbärtig, alt und etwas tattrig – wird er seine Fältchen wohl dem  Menschen Wirken zu verdanken haben. Nicht auszudenken, wie jung er aussähe, würden wir verantwortlich handeln. Zu unserem inneren Kern finden. Und nicht leben wie eine von Dämonen besessene Hyäne.

Wir könnten immerhin ganz wunderbar dastehen mit unserer Erde. Mutter Erde, wie der Volksmund sagt. Man könnte jedoch glatt ins Grübeln kommen. Denn wie eine Mutter behandeln wir jene wohl kaum.

Selbiges gilt auch für unsere Muttersprache. Wenn ich eine der beiden wäre, würde ich meine Kinder glatt zur Adoption freigeben. Oder vor die Feuerwache legen. Wer solche Kinder hat, braucht keine Feinde mehr.

Doch Obacht! Solche Worte seien mit Bedacht gesprochen. Wer im Glashaus sitzt. Und mit der Grube. Das Sprichwort gibt’s auch.

Eine lächerliche Doppelmoral, könnte man denken. Geradezu zynisch, so über seine eigene Art zu sprechen. Wir sind doch eine große Familie.

Gut, vielleicht nicht ganz. Die Schwarzen, die Juden, die Sklaven, die Flüchtlinge und noch ein paar Andere sollte man nicht dazuzählen.

Obszön!

Nicht meine Worte. Eure. Gut, unsere. Unser aller. In den vergangenen Jahrhunderten.

Wobei. Kann man da noch in der ersten Person Plural sprechen? Es handelt sich um Jahrhunderte. Und unsere fortgeschrittene Zeit lässt sich wohl kaum mit den Meutereien des Mittelalters oder gar mit Hitlers Zeitgenossen vergleichen.

Nein, entschuldigen Sie bitte, Herr Lehrer. Das war dumm von mir.

Ich verschmerze diese kurze Entschuldigung. Denn kaum jemand denkt weiter.

Niemand würde auch nur ansatzweise auf den Gedanken kommen, unser Leben wäre von ähnlichem Wert wie ein Sandkorn in der Wüste. Natürlich nicht für den Einzelnen. Doch im Gesamten.

So gesehen wiederum eine Rabenmutter, die Mutter Erde. Interessiert sich nicht für den Einzelnen.

Doch unsere Zeit ist kurz. Sofern es so etwas überhaupt gibt. So etwas wie unsere Zeit. Vielleicht ist ja auch einfach nichts.

Ach, hör‘ doch auf!

Zu schmerzhaft, ein solcher Gedanke. Zu intim, zu wissen, das eigene Leben sei nichts wert. Nicht von Bedeutung. Abgelaufen bevor es beginnt.

Oder ein Remastered. Quasi eine neu aufgelegte Kopie. Wer weiß.

Ah, zu dem Thema gibt’s auch ein klasse Sprichwort: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Hach, wie gern zitiert, wenn die Kirchturmuhr zweifach gongt. Im Prinzip wissen wir alle nichts. So ist das eben.

Wieder so ein schöner Selbstschutz vor vermeintlich offensichtlichen Fehlern. Aber: Wenn wir nichts wissen, gibt es weder richtig noch falsch. Und damit auch keine Fehler. Wir können tun, was wir wollen. Ein Glück. Die Welt steht uns offen.

Naja…

Wäre da nicht unser Gewissen mit diesen unerhörten Zwischenrufen. Still jetzt. Ich weiß, dass ich nichts weiß. So einfach ist das. Das Gewissen sei nur eine jüdische Erfindung, meinte Hitler. Aber auch der wusste ja nichts. Niemand wusste etwas. Bleibt bloß fraglich, wie wir dorthin gelangten, wo wir heute sind.

Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und noch nicht einmal das weiß ich.

Klingt korrekter, oder? Weg damit. Zu komplex. Neue Gedanken.

Diesen philosophischen Kram braucht ohnehin niemand. Handfeste Tatsachen, das ist es, was wir brauchen. Nicht so ein hochtrabendes Geschwafel. Wo kommen wir denn da hin.

Auf den Punkt. Genau das ist es. Einfach mal nicht mehr denken. Einfach mal leben. Immerhin kann morgen schon der Bus kommen.

Einfach mal Sachen machen und nicht über Konsequenzen für die Welt nachdenken. Einen Krieg anfangen zum Beispiel. Wer will schon sterben und in diesem viel zu kurzen Leben etwas ausgelassen haben. Aber gut, muss nicht gleich ein Krieg sein. Aber einmal sollte irgendetwas total Verrücktes schon drin sein.

Und Vorsicht, jetzt kommt doppelter Humor. Immer dann, wenn jemand etwas total Verrücktes tun möchte, gelingt ihm etwas hochgradig Normales: Er tut etwas, das jeder einmal in seinem Leben tut, wenn er sonst nichts in seinem Leben tut. Da das wiederum jeder tut, tut er nichts Verrücktes, sondern etwas vollkommen Normales.

Etwas Verrücktes wäre demnach per Definition etwas, das niemand sich vorstellen könne, was es wiederum erschweren würde, es umzusetzen.

Und hier nochmal eine Querdenkeridee: Wie verrückt wäre es, einfach mal auf sein Herz zu hören? Puh, Schlag in die Magengrube.

Ja aber…

Ja, ich weiß. Ich höre es schon. Die Gründe, warum das nicht immer geht. Man hat ja auch Verpflichtungen. In denen man anschließend versinkt. Und dann für einen Tag etwas Verrücktes tut, was vollkommen normal ist.

Aber da wir nicht nachdenken – wir wissen nämlich, dass wir nichts wissen – denken wir auch darüber nicht nach und laufen offenen Geistes ins Bodenlose.

Behaupten dann, man wisse ja nie, was kommt. Immerhin wissen wir ja auch nichts.

Und überhaupt

könnte morgen ja schon

der Bus kommen.

Amen.