Mit Vierzehn

Ich erinnere mich an eine bestimmte Situation, als ich Vierzehn war. Meine Mutter fuhr mich zum Tennistraining. Es war kurz vor Zwei. Ich blickte aus dem Beifahrerfenster hinaus und fragte mich: „Wie werde ich wohl aussehen, wenn ich 20 bin?“

Am Abend sah ich mich im Spiegel an. Ich fuhr mit meiner flachen Hand mein Kinn entlang. „Ich hoffe, ich werde einen Bart tragen. Ich wäre jetzt so gern erwachsen. Dort draußen, in der Welt.“

Draußen in der Welt. Das war damals überall, außer daheim. In jeder Stadt, an jedem Ort. Auf jedem Kontinent. Obwohl mein Horizont nur bis Europa reichte.

Ich war ein kleiner Junge voll großer Wünsche.

Heute bin ich 25 Jahre alt. Ich kenne mich mit Zwanzig. Verstehe nicht viel von dem, was man Leben nennt.

Und manchmal stehe ich vorm selben Spiegel wie damals. Und wünschte, ich wäre wieder Vierzehn. Unwissend, voll Kribbeln im Bauch. Nicht ahnend, was kommt. Mit Referaten und Klassenarbeiten als größte Probleme. Und dem ersten Kurs als größtes Erlebnis.

Aber vor allem zu Hause. Sicher, geborgen und wohl behütet.

Die Welt dort draußen ist spannend. Aufregend. Kopfverdrehend. Und voller Abenteuer.

Doch um nichts in der Welt würde ich tauschen, all die Erinnerungen noch einmal zu leben.

Die Weihnachtsabende im Kreise der Familie. All die lachenden Gesichter. Das Grillen im Sommer. Die Urlaube im Süden. Die Kindershows, in denen wir die Stars waren. Und all die Träumereien und Flausen, mit denen wir uns selbst in die Welt entließen.

Man sagt, Vorfreude sei die schönste Freude. Doch wirkliches Glück empfinde ich, wenn ich zurückblicke.

Auf die letzten Jahre, gemeinsam mit dir, Jasmin. Und auf die frühen Jahre, die jungen Jahre. Die verrückten Jahre. Die Pubertät. Die Tage, die ich mit meinen Eltern und Großeltern verbringen durfte. Die Erleichterungen nach bestandenen Prüfungen. Die Abende in großen Städten mit dir, Max, als wir noch träumten vom Studium und den großen Dingen.

All das würde ich wieder erleben. All das würde ich genauso tun.

Und mein 20-jähriges Ich würde ich in den Arm nehmen und flüstern, dass es besser würde.

Denn die großartigen Dinge sind stets jene, die man nicht gleich als solche erkennt. Gemeinsam mit Menschen, die man dabei nicht erwartet hätte.

Und meist an den Orten, die man schon mit Vierzehn kannte.

Fernweh & Gemütslagen

Es vergingen zwei Jahre, die wir fest verwurzelt, daheim verbrachten. In einem zu Hause, das wir uns selbst ausgesucht und zu jenem gemacht haben. Unsere gemeinsame Kreativität, eine Schnittmenge unseres Geschmacks und allerlei Ideenreichtum stecken in diesen Wänden. Man könnte sagen, wir hätten es uns gemütlich gemacht.

Gemütlich. Sagt man stets so schön. In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, was gemütlich für mich bedeutet. Für mich persönlich meint es nicht bequem, keine Konstanz, wenn ich genauer darüber nachdenke.

Einen Gedanken daran zu verschwenden, was meinem Gemüt entspricht, kann Tage und Wochen andauern, wie ich momentan lerne. Und Gemüter verändern sich. Das macht die Sache nicht leichter. Und sie können beruhigt werden. Gewohnheiten zum Opfer fallen.

Was also entspricht meinem Gemüt? Was bedeutet für mich gemütlich?

Nach zwei klassisch deutschen Jahren treibt es mich langsam, aber sicher, wieder hinaus in die Welt – so viel spüre ich inzwischen klar und deutlich. Doch entspricht das langfristig dem, was ich mir vorstelle? Oder kann ich überhaupt langfristig planen, ohne alle paar Jahre von A nach B zu springen? Ohne konsequent die Seiten zu wechseln und einen anderen Lebensstil anzupreisen?

Eine Sache, die ich gelernt habe und die auch mich entspannt: Ich sollte andere Menschen in diesen Mix aus Abenteuersehnsucht, Lebenswandel und Kursänderung nicht hineinziehen. Vielleicht existiert für mich diese lebensstilistische Konstanz nicht – für Andere dafür umso mehr.

Und was für mich gemütlich bedeutet, wäre für andere Menschen höchstanstrengend, beängstigend und nicht ihrem Wesen entsprechend. Das, was ich als aufregenden Lebensstil definiere, wäre für andere Menschen nichts als purer Stress.

Gemütlichkeit hat also nichts mit Bequemlichkeit oder dem klassischen Nichtstun am Hut. Im Gegenteil: Meinem Gemüt scheint es zu entsprechen, Dinge zu entdecken und Risiken zu wagen. Auf verschiedensten Ebenen.

Zwei Jahre voller häuslicher Konstanz sind wunderbar, wenn ich darauf zurückblicke. Doch die gelegentlichen Ausbrüche voller neuen Erfahrungen, fremden Menschen und sehenswerten Orten machen für mich den Unterschied.

Und wer weiß: Vielleicht macht es schlicht Sinn, dieses Verhältnis umzukehren: Im Abenteuer zu leben und die Konstanz als Insel der Ruhe zu nutzen, die jederzeit ansteuerbar ist.

Einen Versuch könnte es in wert sein.