Fernweh & Gemütslagen

Es vergingen zwei Jahre, die wir fest verwurzelt, daheim verbrachten. In einem zu Hause, das wir uns selbst ausgesucht und zu jenem gemacht haben. Unsere gemeinsame Kreativität, eine Schnittmenge unseres Geschmacks und allerlei Ideenreichtum stecken in diesen Wänden. Man könnte sagen, wir hätten es uns gemütlich gemacht.

Gemütlich. Sagt man stets so schön. In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, was gemütlich für mich bedeutet. Für mich persönlich meint es nicht bequem, keine Konstanz, wenn ich genauer darüber nachdenke.

Einen Gedanken daran zu verschwenden, was meinem Gemüt entspricht, kann Tage und Wochen andauern, wie ich momentan lerne. Und Gemüter verändern sich. Das macht die Sache nicht leichter. Und sie können beruhigt werden. Gewohnheiten zum Opfer fallen.

Was also entspricht meinem Gemüt? Was bedeutet für mich gemütlich?

Nach zwei klassisch deutschen Jahren treibt es mich langsam, aber sicher, wieder hinaus in die Welt – so viel spüre ich inzwischen klar und deutlich. Doch entspricht das langfristig dem, was ich mir vorstelle? Oder kann ich überhaupt langfristig planen, ohne alle paar Jahre von A nach B zu springen? Ohne konsequent die Seiten zu wechseln und einen anderen Lebensstil anzupreisen?

Eine Sache, die ich gelernt habe und die auch mich entspannt: Ich sollte andere Menschen in diesen Mix aus Abenteuersehnsucht, Lebenswandel und Kursänderung nicht hineinziehen. Vielleicht existiert für mich diese lebensstilistische Konstanz nicht – für Andere dafür umso mehr.

Und was für mich gemütlich bedeutet, wäre für andere Menschen höchstanstrengend, beängstigend und nicht ihrem Wesen entsprechend. Das, was ich als aufregenden Lebensstil definiere, wäre für andere Menschen nichts als purer Stress.

Gemütlichkeit hat also nichts mit Bequemlichkeit oder dem klassischen Nichtstun am Hut. Im Gegenteil: Meinem Gemüt scheint es zu entsprechen, Dinge zu entdecken und Risiken zu wagen. Auf verschiedensten Ebenen.

Zwei Jahre voller häuslicher Konstanz sind wunderbar, wenn ich darauf zurückblicke. Doch die gelegentlichen Ausbrüche voller neuen Erfahrungen, fremden Menschen und sehenswerten Orten machen für mich den Unterschied.

Und wer weiß: Vielleicht macht es schlicht Sinn, dieses Verhältnis umzukehren: Im Abenteuer zu leben und die Konstanz als Insel der Ruhe zu nutzen, die jederzeit ansteuerbar ist.

Einen Versuch könnte es in wert sein.

San Francisco im Sommer (#1)

„Laugh. Giggle. Be silly.“ Über unserem Bett prangert ein mit weisen Worten bedrucktes Stück Holz. Verziert mit goldener Schrift, leicht schräg hängend. Die Botschaft ist eindeutig.

Begleitet von einem leisen Knartschen des alten Holzbodens stelle ich unsere Koffer ab. Rums. Da sind wir. Angekommen. Über die hüfthoch aus dem Gepäck herausstehenden Griffe gebeugt stütze ich mich gegen die Wand. Ich stehe mitten in einem für San Francisco typischen Reihenhaus. Die Straße steil, das Haus klein. Kleiner als gedacht. Aber gemütlich. Und bunt: Gelbe, türkise, grüne und, wenn auch seltener, weiß gestrichene Wände hauchen den schmalen Innenräumen Leben ein. Dazwischen: zwei tobende Katzen auf insgesamt sieben Beinen. Zwei Etagen, eine enge Treppe und ein großer Wohn-Ess-Bereich. Dazu ein Gästezimmer und zwei Privaträume. Nicht zu vergessen: eine urtypisch-kalifornische Garage, die neben der Eingangstür im Untergeschoss liegend keinerlei Autos beherbergt, sondern wie ein künstlerisch angehauchtes Mode-Atelier wirkt.

Das Haus verrät viel über die Eigentümerin, die eigentliche Bewohnerin. Sie empfängt uns nicht persönlich. Ein Notizzettel, DIN A4-groß, gelb und liniert, erklärt und entschuldigt sie. Um die Katzen möchten wir uns bitte kümmern. Nicht zu schüchtern mit ihnen umgehen. Nube benötige ihren Auslauf, frische Luft und dürfe das Haus nach Lust und Laune verlassen. Abends kratze sie schon an der Haustür, wenn ihr danach sei. Millie verlasse das Haus nie. Dennoch sollten wir ein Auge auf sie haben.

Ich lege den Notizzettel nieder und blicke in die offene Küche, die nur eine halbhohe, eigens eingezogene Wand vom Rest des Wohnbereiches trennt. Sie strahlt Lebensfreude aus. Entspannung und Freundlichkeit. Und Gesundheit, sofern man die in verschiedensten Gläsern aufbewahrten Chia-Samen, Bulgur- und Amaranth-Körner einbezieht.

Im Wohnzimmerfenster auf der anderen Seite des Raumes, vorbei am mit Stickern beklebten iMac, einem Sofa und zwei Katzennestern, schimmern die Spuren des letzten Frühjahrsputzes im Sonnenschein. Dahinter: Die landesweit überirdisch angebrachten Telefonleitungen, die die Steigung der Straße unmissverständlich widerspiegeln und sich schnurstracks gen untere Fensterecke hangeln.

Eine der beiden Glasscheiben ist beiseite geschoben. Ich gehe wenige Schritte, halte meinen Kopf aus der rechten Fensterhälfte und blicke die Straße hinab, die drei Querstraßen weiter, an einer großen grünen Wiese, endet. Dahinter: Nichts als Hügel, Natur und – in nicht allzu weiter Ferne – jene Hochhäuser, die San Franciscos Bankenviertel markieren.

Ein warmer Atem umhüllt von weichem Fell schnurrt sanft um meinen rechten Unterschenkel. Es wirkt wie ein liebliches „Herzlich Willkommen“. Genau am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.

Wir sind angekommen.